Dec 10, 2012 7:34 PM
ThyssenKrupp setzt strategische Weiterentwicklung im Geschäftsjahr 2011/2012 entschlossen fort
Der Aufsichtsrat der ThyssenKrupp AG hat in seiner heutigen Sitzung den Jahresabschluss für 2011/2012 festgestellt. Aufgrund des fortgeschrittenen Stadiums des Verkaufsprozesses der Werke in Brasilien und den USA wird die Business Area für das Geschäftsjahr 2011/2012 als nicht fortgeführte Aktivität ausgewiesen. In diesem Zusammenhang wurden Wertberichtigungen von 3,6 Mrd € bei Steel Americas vorgenommen. Zudem hat der Aufsichtsrat in seiner Sitzung den Vorschlag des Personalausschusses angenommen, die Bestellung der Vorstandsmitglieder Dr. Olaf Berlien, Dr. Jürgen Claassen und Edwin Eichler mit Wirkung zum 31. Dezember 2012 einvernehmlich aufzuheben. Die Entscheidung steht im Zusammenhang mit der Gesamtverantwortung des Vorstands für die Führung der Geschäfte und die Führungskultur des Konzerns. Der Aufsichtsrat der ThyssenKrupp AG dankt den drei Vorständen für die geleistete Arbeit und für ihre Zustimmung zur Aufhebung ihrer Verträge, mit der sie eine personelle Neuordnung des Vorstands ermöglichen.
Dr. Heinrich Hiesinger, Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG: „Das Projekt Steel Americas und die verschiedenen Compliance-Verstöße haben nicht nur einen immensen finanziellen Schaden verursacht. Wir haben dadurch auch an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren. Der Aufsichtsrat hat mit den Veränderungen im Vorstand ein klares Zeichen für einen Neuanfang gesetzt. Die Entscheidungen erfolgten in enger Abstimmung mit mir. Wir etablieren konsequent eine neue Führungskultur, die auf Ehrlichkeit, Transparenz und Leistungsorientierung basiert. Dafür stehen wir als Vorstand ein.“
Operatives Geschäft: Alle fortgeführten Aktivitäten profitabel
Im Geschäftsjahr 2011/2012 erreichte ThyssenKrupp bei seinen fortgeführten Aktivitäten (ohne Inoxum und Steel Americas) einen Auftragseingang von 42,3 Mrd €. Das entspricht einem Rückgang um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch der Umsatz der fortgeführten Aktivitäten lag im Berichtszeitraum mit 40,1 Mrd € rund sechs Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahreswert. Die Auftrags- und Umsatzrückgänge sind im Wesentlichen durch niedrigere Absatzmengen und Preise im Werkstoff-Geschäft bedingt. Im Industriegüter-Geschäft hingegen setzte sich die positive Entwicklung weiter fort. Auftragseingang und Umsatz konnten auf ein neues Rekordniveau gesteigert werden.
Das bereinigte EBIT der fortgeführten Aktivitäten blieb mit 1,4 Mrd € vor allem aufgrund des schwächeren Werkstoff-Geschäfts unter dem Vorjahreswert von 2,8 Mrd €. Alle fortgeführten Aktivitäten erzielten aber deutlich positive EBIT-Beiträge auf bereinigter Basis. Die Industriegüter-Aktivitäten entwickelten sich weniger volatil und deutlich robuster als die Werkstoff-Geschäfte. Das bereinigte EBIT der Geschäfte mit Industriegütern summierte sich unkonsolidiert auf 1,7 Mrd €. Die beiden Business Areas des Werkstoffbereichs, Materials Services und Steel Europe, erreichten unkonsolidiert ein bereinigtes Ergebnis von 0,6 Mrd €.
Als Ergebnisziel für das Geschäftsjahr 2011/2012 hatte ThyssenKrupp ein bereinigtes EBIT im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich in Aussicht gestellt (ohne Inoxum, aber mit Steel Americas). Trotz des schwachen konjunkturellen Umfelds erreichte der Konzern dieses Ziel mit 399 Mio €. Das EBIT des Gesamtkonzerns (mit Inoxum und Steel Americas) lag mit -4,4 Mrd € allerdings deutlich unter dem Vorjahreswert von -1 Mrd €. Dies ist auf die Verluste der nicht fortgeführten Aktivitäten und insbesondere auf die Wertberichtigung bei Steel Americas in Höhe von 3,6 Mrd € zurückzuführen.
Der Jahresfehlbetrag des Gesamtkonzerns betrug -5,0 Mrd € und erhöhte sich um -3,2 Mrd € gegenüber dem Vorjahreswert. Der Anteil der Aktionäre der ThyssenKrupp AG am Jahresfehlbetrag betrug -4,7 Mrd € bzw. -194 Mio € für das Ergebnis aus fortgeführten Aktivitäten.
Obwohl ThyssenKrupp grundsätzlich Dividendenkontinuität anstrebt, wird der Konzern für das abgelaufene Geschäftsjahr keine Dividende ausschütten, da der Einzelabschluss der ThyssenKrupp AG kein ausschüttungsfähiges Ergebnis aufweist.
Entwicklung der Business Areas
Das Geschäft in den Business Areas entwickelte sich im Geschäftsjahr 2011/2012 wie folgt:
- Die Geschäftsentwicklung von Steel Europe war durch die anhaltende Marktschwäche in der zweiten Jahreshälfte belastet. Zu einem Rückgang der Bestell- und Versandmengen hat auch die Veräußerung des Metal-Forming-Geschäfts beigetragen. Der Auftragseingang ging insgesamt um 15 Prozent auf 10,5 Mrd € zurück, der Umsatz um 14 Prozent auf 10,9 Mrd €. Das bereinigte EBIT erreichte 247 Mio € nach 1.133 Mio € im Vorjahr. Neben den geringeren Absatzmengen machten sich hier ein hoher Preisdruck und ein gestiegener Aufwand für Einsatzstoffe bemerkbar.
- Der Umsatz bei Materials Services fiel um elf Prozent auf 13,2 Mrd €. Negativ wirkten sich dabei die Veräußerung der Xervon-Gruppe, die verhaltenere Nachfrage und der seit Mitte 2011 zu registrierende Preisverfall aus. Deutlich gesteigert wurde der Umsatz jedoch im Werkstoff- und Logistikgeschäft mit der Luftfahrtindustrie. Das bereinigte EBIT ging gegenüber dem Vorjahr um 42 Prozent auf 311 Mio € zurück.
- Elevator Technology dagegen erzielte sowohl beim Auftragseingang als auch beim Umsatz neue Rekordwerte von 6,1 Mrd € (plus 16 Prozent) bzw. 5,7 Mrd € (plus neun Prozent). Wesentlicher Treiber war das Geschäft in Asien. Aus diesem Grund investiert ThyssenKrupp derzeit auch in China sowie Indien und baut dort zwei neue Werke. Das Neuanlagengeschäft in Südeuropa hingegen blieb schwach und belastete Ergebnis und Margen. Im Geschäftsjahr 2011/2012 erreichte die Business Area ein bereinigtes EBIT von 587 Mio € nach 641 Mio € im Vorjahr.
- Die Business Area Plant Technology gewann im Geschäftsjahr 2011/2012 weltweit Aufträge im Wert von 4,0 Mrd € (Vorjahr: 4,5 Mrd €). Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreswert leicht um zwei Prozent auf 4,1 Mrd € an. In allen Werken war die Auslastung unverändert gut, vielfach wurde an der Kapazitätsgrenze gearbeitet. Das bereits hohe Ergebnis des Vorjahres übertraf Plant Technology und erreichte im Berichtsjahr ein bereinigtes EBIT von 520 Mio € (Vorjahr: 506 Mio €). Um die Marktposition für Chemieanlagenbau im weltweiten Öl- und Gasgeschäft weiter auszubauen, hat Plant Technology zudem das britische Beratungsunternehmen Energy & Power Global erworben.
- Im Bereich Components Technology lag der Auftragseingang trotz der Veräußerung der US-amerikanischen Gießerei Waupaca sowie des Chassis-Komponenten-Herstellers ThyssenKrupp Automotive Systems Industrial do Brasil mit 6,9 Mrd € auf Vorjahresniveau. Beide Veräußerungen waren Teil der strategischen Weiterentwicklung des Konzerns. Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahreswert von 6,9 Mrd € leicht auf 7,0 Mrd €. Insbesondere bei Komponenten für PKW und Nutzfahrzeuge wuchs die Nachfrage. Der Automobilmarkt in Europa war zwar im Vergleich zum US-Automobilgeschäft insgesamt rückläufig, die Business Area profitierte jedoch von der guten Geschäftsentwicklung wichtiger Kunden und der regen Nachfrage im Mittelklasse- und Premiumsegment. Das bereinigte EBIT lag mit 453 Mio € zehn Prozent unter dem Vorjahreswert. Anlaufkosten für neue Produkte und Werke und die rückläufige Nachfrage im Windenergie- und Infrastrukturbereich in China belasteten das Geschäft.
- Marine Systems konzentriert sich nach erfolgreicher Neuausrichtung nun ausschließlich auf den Marineschiffbau. Dank der höheren Nachfrage nach Fregatten und U-Booten in außereuropäischen Ländern stieg der Auftragseingang um 21 Prozent auf 3,6 Mrd €. Der Auftragsbestand erhöhte sich im Berichtsjahr sogar auf das Rekordniveau von 9,0 Mrd €. Der Umsatz blieb mit 1,2 Mrd € unter dem Vorjahreswert von 1,5 Mrd €. Das bereinigte EBIT erreichte mit 169 Mio € (Vorjahr: 213 Mio €) ein weiterhin gutes Niveau.
Finanzierung des Konzerns auf gesicherter Basis
Die Netto-Finanzschulden des Konzerns lagen zum 30. September 2012 mit 5,8 Mrd € über dem Vorjahreswert von 3,6 Mrd €, konnten aber wie geplant auf dem Niveau des dritten Quartals gehalten werden. Mittelabflüsse bei den nicht fortgeführten Aktivitäten Steel Americas und Inoxum schlugen hier im Jahresverlauf zu Buche. Aufgrund einer freien Liquidität von 6,7 Mrd € (liquide Mittel und freie, fest zugesagte Kreditlinien) steht die Finanzierung des Konzerns auf einer gesicherten Basis.
Verkaufsprozess für Steel Americas verläuft nach Plan
Der Verkaufsprozess für die Werke der Business Area Steel Americas in Brasilien und den USA verläuft planmäßig. In der im November 2012 gestarteten zweiten Phase wird einer Auswahl von Interessenten die Möglichkeit gegeben, die Werke im Rahmen einer so genannten Due Diligence zu analysieren und verbindliche Kaufangebote abzugeben.
Im Zusammenhang mit der Klassifizierung als nicht fortgeführte Aktivität von Steel Americas wurde eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert in Höhe von 3,6 Mrd € notwendig. Der beizulegende Wert wurde aus internen Berechnungen und aus Erkenntnissen aus dem laufenden Veräußerungsprozess abgeleitet.
Strategische Weiterentwicklung fest auf Kurs
Große Fortschritte machte der Konzern bei der im Mai 2011 begonnenen strategischen Weiterentwicklung. Das damals angekündigte Programm der Portfolio-Optimierung, das ein Umsatzvolumen von mehr als 10 Mrd € umfasste, wurde vollständig umgesetzt. Von besonderer Bedeutung ist der Zusammenschluss des Edelstahlgeschäfts Inoxum mit dem finnischen Wettbewerber Outokumpu, der bereits im Januar 2012 vertraglich vereinbart worden war. Am 07. November 2012 folgte die Genehmigung durch die EU-Kommission. Die Transaktion wird bis zum Jahresende abgeschlossen sein und zu einer deutlichen Reduktion der Netto-Finanzschulden führen.
Dr. Heinrich Hiesinger: „Mit dem Abschluss unserer Portfolio-Optimierung und dem Verkauf von Steel Americas erhöht sich das Gewicht der Industriegüter-Geschäfte innerhalb des Konzerns deutlich. Ohne Inoxum, Steel Americas und einige kleinere Verkäufe sinkt der Umsatzanteil der Stahlproduktion von 40 Prozent auf nur noch knapp 30 Prozent. Anders ausgedrückt: 70 Prozent, der weit größere Teil, sind Material- und Logistikdienstleistungen sowie Industriegüter-Geschäfte“.
Weiterhin plant ThyssenKrupp, die Effizienz des Konzerns erheblich zu steigern und die Kosten weiter zu senken. Im Geschäftsjahr 2011/2012 erreichten die Performance-Maßnahmen des Konzernprogramms „impact“ bereits einen positiven EBIT-Effekt von mehr als 300 Mio €. Darauf aufbauend soll in den kommenden drei Jahren durch das Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramm ein kumulierter positiver EBIT-Effekt von weiteren 2 Mrd € erzielt werden. Ausschlaggebend dafür sind eine Performance- und Effizienz-Steigerung der Business Areas, verschiedene Querschnittsinitiativen über alle Business Areas hinweg sowie eine Straffung der Konzernführungsorganisation.
Um die Komplexität des Konzerns zu reduzieren, werden bereits zum 01. Januar 2013 die beiden Business Areas Plant Technology und Marine Systems zu einer gemeinsamen Business Area mit dem Namen „Industrial Solutions“ zusammengeführt. Beide Bereiche verfolgen ein ähnliches Geschäftsmodell und werden durch den Zusammenschluss von Synergieeffekten profitieren. Außerdem werden ebenfalls zum 01. Januar 2013 die Konzerngesellschaften Fördertechnik und Polysius innerhalb der Business Area Industrial Solutions zusammengeführt. Beide Unternehmen sind wichtige Partner der Zement- und Mineralindustrie. Auch mit diesem Schritt werden Überschneidungen beseitigt und die Effizienz erhöht.
Neben diesen Maßnahmen plant ThyssenKrupp, den bereits angestoßenen Kulturwandel im Konzern erheblich auszuweiten und zu beschleunigen. Das gesamte Führungsmodell wird dabei überprüft.
Dr. Heinrich Hiesinger: „Wir definieren Prozesse neu, optimieren Strukturen, klären Rollen, Regeln und Verantwortung. Bereits ab Oktober 2013 wollen wir in der überarbeiteten Konzernstruktur arbeiten.“
Ausblick
Die Geschäftsentwicklung des Konzerns im Geschäftsjahr 2012/2013 wird aus heutiger Sicht ganz wesentlich von der noch ausbleibenden Belebung der Weltwirtschaft mit einer ungelösten Schuldenkrise insbesondere im Euro-Raum und einer verlangsamten Wachstumsdynamik in den aufstrebenden Volkswirtschaften geprägt sein. Unter der Annahme einer überwiegend stagnierenden Entwicklung in den Kernmärkten unserer stärker zyklischen Werkstoff- und Komponenten-Geschäfte, deren verlässliche Planbarkeit im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld nicht wesentlich über ein Quartal hinausreicht, erwartet der Konzern derzeit folgende Entwicklung von Umsatz und bereinigtem EBIT:
- Für das Geschäftsjahr 2012/13 erwartet ThyssenKrupp einen Konzernumsatz für die fortgeführten Aktivitäten auf dem Niveau des Vorjahres von etwa 40 Mrd €. Dabei geht der Konzern davon aus, dass es nicht zu größeren Verwerfungen auf den Rohstoffmärkten kommt. Entfallende Umsätze aus Portfoliomaßnahmen, insbesondere bei Steel Europe und Components Technology, sollten durch organisches Wachstum bei den Industriegüter-Geschäften weitgehend kompensiert werden.
- Unter der Annahme, dass sich die zu Beginn des neuen Geschäftsjahres im Vergleich zum Vorjahr noch verhaltenere Werkstoffkonjunktur fortsetzt, aber nicht noch zunehmend verschärft, sollte das bereinigte EBIT aus fortgeführten Aktivitäten des Konzerns bei rund 1 Mrd € liegen.
Dr. Heinrich Hiesinger: „Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr große Fortschritte bei unserer strategischen Weiterentwicklung gemacht, insbesondere bei den Portfoliomaßnahmen. Jetzt legen wir den Fokus auf die weitere Verbesserung unserer operativen Performance und unserer Führungskultur: Wir brauchen mehr Effizienz, Transparenz und Ehrlichkeit auf allen Ebenen. Nur so können wir unsere Profitabilität steigern und das Wertsteigerungspotential heben, das in unserem Konzern vorhanden ist.“
ThyssenKrupp wird in einer Pressekonferenz am 11. Dezember 2012 um 09:00 Uhr über den Jahresabschluss berichten. Die Pressekonferenz wird im Internet live übertragen https://www.thyssenkrupp.com. Um 13:00 Uhr findet eine Telefonkonferenz mit Analysten und Investoren statt.
Der Geschäftsbericht steht ab sofort unter https://www.thyssenkrupp.com als Download zur Verfügung.
Bei ThyssenKrupp arbeiten über 150.000 Mitarbeiter in rund 80 Ländern mit Leidenschaft und hoher Kompetenz an Produktlösungen für nachhaltigen Fortschritt. Ihre Qualifikation und ihr Engagement sind die Basis für unseren Erfolg. ThyssenKrupp erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2011/2012 einen Umsatz von 40 Mrd €.
Innovationen und technischer Fortschritt sind für uns Schlüsselfaktoren, um das globale Wachstum und den Einsatz begrenzter Ressourcen nachhaltig zu gestalten. Mit unserer Ingenieurkompetenz in den Anwendungsfeldern "Material", "Mechanical" und "Plant" ermöglichen wir unseren Kunden, sich Vorteile im weltweiten Wettbewerb zu erarbeiten sowie innovative Produkte wirtschaftlich und ressourcenschonend herzustellen.