Während die GT3-Fahrzeuge im weltweiten GT-Sport zunehmend von Profis pilotiert werden, fahren in der GT2-Klasse in erster Linie die sogenannten Gentleman-Driver: Ambitionierte, semiprofessionelle Rennfahrer. An diese Zielgruppe richtet sich der Mercedes-AMG GT2 - mit bis zu 707 PS das stärkste homologierte Rennfahrzeug in der Geschichte des Mercedes-AMG Customer Racing Programms. Für präzise Fahrbarkeit und ein Höchstmaß an Agilität und Performance sorgt ein Rennsport-Fahrwerk von thyssenkrupp Bilstein.
Dabei musste sich der Stoßdämpfer-Hersteller im Rahmen einer Ausschreibung gegen harte Konkurrenz durchsetzen, wie Timo Drüge, Sales Manager Performance & Motorsport, verrät. „Wir haben lange davon gezehrt, viele der schnellsten Teams mit unseren Produkten ausstatten zu können. Das hatte zur Folge, dass viele andere Teams folgten und auch das entsprechende Produkt haben wollten.“ Die Marktsituation hat sich inzwischen jedoch verändert. „Der heutige Motorsport ist geprägt von strengen Homologationsanforderungen“, so der Ingenieur. Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass Rennfahrzeuge den technischen sowie sicherheitsspezifischen Regeln und Vorschriften entsprechen, die von den Organisatoren der verschiedenen Rennserien festgelegt wurden. „Dabei müssen Rennfahrzeuge und ihre Komponenten homologiert werden, also für eine bestimmte Rennserie oder -klasse zugelassen werden. Dazu gehören in der Regel auch die Stoßdämpfer. Die homologierten Teile sind dann für die Teams verpflichtend. Diese nachträglich umzubauen ist nur noch in wenigen Ausnahmefällen möglich.“
Speziell im Kunden-Motorsport, bei dem Automobilhersteller wie Mercedes-AMG, Porsche oder BMW die homologierten Rennfahrzeuge in Kleinserie produzieren, sind Faktoren wie Performance, Entwicklungskompetenz, Test- und Simulations-Know-how sowie Kosteneffizienz inzwischen von entscheidender Bedeutung. Allesamt Kriterien, bei denen sich thyssenkrupp Bilstein entscheidend profilieren konnte.
Um den besten Kompromiss in Sachen Performance und Kosteneffizienz darzustellen, hatten die Fahrwerksspezialist:innen von thyssenkrupp Bilstein eine besondere Idee: Das Konzept sah vor, den leistungsfähigen BILSTEIN EVO RT-5-Wege-Rennsport-Stoßdämpfer, mit dem die Mercedes-AMG Rennfahrzeuge der besonders professionellen GT3-Klasse bereits seit Jahren international Erfolge feiern, auf die Anforderungen des Mercedes-AMG GT2 zu adaptieren. Daraus ergab sich eine spezielle Herausforderung. Schließlich „verpflichtet der GT2-Homologationsstand Mercedes-AMG dazu, maximal ein Dreiwegesystem in das Fahrzeug zu verbauen“, so Timo Drüge.
Doch dank der modularen System-Architektur, mit der die Motorsport-Abteilung von thyssenkrupp Bilstein ihre Produkte konzipiert, war dies möglich. Während der 5-Wege-Stoßdämpfer in der Zugstufe und in der Druckstufe sowohl im Low-Speed- als auch im High-Speed-Bereich (Kolbenstangengeschwindigkeiten von 0 bis ca. 125 mm/s und über 125 mm/s) einstellbar ist und zusätzlich über ein Blow-Off-Ventil verfügt, war nun Downsizing angesagt. So reduzierten die Ingenieur:innen die fünf Wege beim Stoßdämpfer-System für den Mercedes-AMG GT2 auf drei. Der neu entwickelte BILSTEIN EVO RT-3-Wege-Rennsport-Stoßdämpfer ist in der Zugstufe im Low-Speed-Bereich sowie in der Druckstufe im Low-Speed-Bereich und im High-Speed-Bereich verstellbar. Auf diese Weise können Rennteams ihre individuellen, perfekt auf die jeweilige Rennstrecke abgestimmten Dämpfer-Setups entwickeln.
Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, ist Timo Drüge überzeugt: „Es dürfte mit ausschlaggebend gewesen sein, dass wir eine ursprünglich für die GT3-Klasse konzipierte High-End-Technologie für den Einsatz gemäß GT2-Reglement adaptieren konnten. Denn eines ist ganz klar: Dabei handelt es sich um ein hochpotentes Dämpfersystem, dessen Technologie einzigartig im GT2-Bereich ist“. Sowohl Zug- als auch Druckstufe lassen sich im BILSTEIN EVO RT-3-Wege-Stoßdämpfer in einem Spektrum von zehn präzisen Klicks einstellen. „Die per Hand einstellbaren Versteller haben eine sehr gute Haptik von Klick zu Klick – auch das unterscheidet uns vom Wettbewerb“, so der Bilstein Ingenieur.
Eine besondere Herausforderung ergab sich bei der Entwicklung aus dem Faktor Zeit. „Im Motorsport sind Entwicklungsprojekte häufig zeitlich sehr eng bemessen. Das war bei diesem Projekt nicht anders“, verrät Timo Drüge. Hier konnte thyssenkrupp Bilstein ein weiteres As ausspielen. „Unsere Stoßdämpfer-Prototypen wurden von Mercedes-AMG auf verschiedenen Rennstrecken rund um den Globus getestet. Aufgrund der knappen Zeitrahmen für die Entwicklungsphasen haben wir das Fahrzeug und unsere Stoßdämpfer mit unserem 7-Post-Prüfstand am Nürburgring parallel weiterentwickelt.“ Dabei handelt es sich um einen top-modernen Vertikalprüfstand mit sieben Hydraulikstempeln, der das Fahrverhalten von Straßen- und Rennfahrzeugen auf verschiedensten Streckenprofilen simuliert und mit dem die Feder-Dämpferauslegung optimiert werden kann. Dabei erwies sich einmal mehr die Expertise der Bilstein Ingenieur:innen und die Möglichkeit, Chassis schon in einem sehr frühen Entwicklungsstadium auf dem Prüfstand testen zu können, als wesentliche Erfolgsfaktoren. „So konnten wir dem Kunden maßgeblich dabei helfen, seine Aufwände in Sachen Testing zu reduzieren“, berichtet Timo Drüge. „Auf diese Weise können teure Rennstreckentage eingespart werden, weil wir mit dem Prüfstand viel effizienter und punktueller entwickeln können.“
So etwa auf dem Nürburgring, speziell auf der rund 25 Kilometer langen Kombination aus Grand-Prix-Strecke und Nordschleife. „Häufig gibt es bestimmte Punkte auf der Rennstrecke, für die man das Verhalten des Fahrzeugs analysieren und entsprechend optimieren möchte. Zum Beispiel eine Sprungkuppe oder ein bestimmter Curb. Auf dem Nürburgring muss der Pilot immer wieder acht Minuten Runden fahren, um zu diesem Punkt zu kommen. Das treibt die Kosten natürlich nach oben. Mit unserem Prüfstand können wir die gleiche Stelle simulieren und wenn es sein muss, mehrere hundert Male wiederholen – und das unter exakt gleichen Bedingungen, unabhängig von Wind oder Regen. Das ist schon ein sehr, sehr großer Vorteil von uns – und ein wichtiger Faktor, um als Entwicklungspartner das Optimum herauszuholen.“
Doch bis es endlich soweit war, musste ein letzter Test die Entscheidung bringen: Der entscheidende Freigabetest für die Homologation auf der renommierten Rennstrecke von Paul Ricard in Frankreich. Der Augenblick, in dem alles auf dem Spiel stand. Doch die BILSTEIN EVO RT-3-Wege-Rennsport-Stoßdämpfer meisterten den abschließenden Test mit Bravour. „Das war die Entscheidung, dass wir die Serie gewonnen hatten“, freut sich Timo Drüge. „Dabei wussten wir bis kurz vor dem Start-of-Production nicht, ob wir den Zuschlag erhalten. Als die Freigabe dann erteilt wurde, kam auch schon die Bestellung von Mercedes-AMG. Und dann musste erneut alles Hand in Hand laufen, um das ambitionierte Timing zu halten“, so der Sales Engineer. Doch auch hier konnte thyssenkrupp Bilstein überzeugen - der engen Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und -kollegen aus dem Erstausrüstungsbereich („Original Equipment“ OE) sei Dank.